Filmkritik: The Amazing Spiderman 2: Rise of Electro

spidey als feuerwehrmann

7 von 10 explodierten Batterien

Superhelden-Sättigung und Marvel-Müdigkeit heißt es im Netz, besonders in der US-Blogosphäre. So langsam seien Superhelden, Spezialeffekte und die Strickmuster, nach denen die Filme meistens aufgebaut sind, nichts besonderes mehr. Dem möchte ich wiedersprechen. Superheldenfilme sind immerhin meistens aufwändig produzierte Bockbuster und damit verdammt gute Unterhaltung! Was wollen solche Kritiker? Mehr melancholische Indie-Arthouse-Filme? Ich für meinen Teil werde der Übermenschen, Mutanten und Außerirdischen nicht müde. Ich will ja auch immer mal wieder Sex oder ein Steak, diese Bedürfnisse kommen einfach wieder…

Der neue Amazing Spiderman „Rise of Electro“, ist so ein „optisches Steak“. Es macht einfach irre Spaß die State of the Art-Spezialeffekte zu bewundern und die bunten Bilder voller fulminanter Kamerafahrten und sprichwörtlicher Blitze auch nach dem Film noch lange auf der Netzhaut zu haben. Und genau bei der Optik und der Action weiß der neue Amazing Spiderman von Marc Webb zu punkten. Diesen Spiderman müsst ihr euch im Kino ansehen, denn er wurde für die große Leinwand und 3D gedreht. Diesmal dürfen wir die haarsträubenden Turnereien von Spiderman nämlich häufig über die Schulterkamera erleben und sind so hautnah dabei, fast als wären wir selbst der „Web Shooter“ in einem hoffentlich bald erscheinenden VR-Abenteuer. Und auch wenn die Kamera raus zoomt und uns die Action in einer übersichtlicheren Totale zeigt, ist das Dargebotene atemberaubend. Wie sich Spiderman Klebefäden ballernd und ausweichend durch den von Electro künstlich elektrisierten Nachhimmel schwingt, ist mit einem Wort „episch“.

Doch warum kann ich diesmal nur 7 Punkte vergeben und nicht 8 wie dem letzten Amazing Spiderman?

the amazing spiderman 2

Die Antwort ist Oscorp. Irgendwie hat der Film keine richtige Handlung. Oder zumindest keine neue. Denn schon wieder ist Peter Parker auf der Suche nach Antworten bzgl. seiner Vergangenheit und des Schicksals seines Vaters. Man wird das Gefühl nicht los nochmal den ersten Film zu schauen, nur mit neuen Gegnern für Spiderman. Und genau hier war für mich das nächste Problem zu finden: Zu viele Gegner. Während Electro noch halbwegs glaubwürdig eingeführt wird und wenigstens „etwas“ Charaktertiefe bekommt, empfand ich die Genese des Green Goblin schon als deutlich mehr an den Haaren herbei gezogen (besonders weil sein Wahnsinn „kaum“ begründet wurde), während gegen Ende des Films Rhino regelrecht abgehandelt und verheizt wird. Das wirkte eher wie eine Aneinanderreihung von Endgegnern in einem Computerspiel und war, wie ich finde, dramaturgisch eher ungeschickt. Warum muss man auch versuchen möglichst viele Villains gleichzeitig einzuführen, anstatt sich für einen, maximal zwei etwas mehr Zeit zu nehmen? Ein guter Bösewicht will Weile haben.

Und wie eine Szene bei Oscorp zeigt, wird diese „Aktivierung“ von neuen Gegnern für Spiderman auch weiterhin so gehandhabt werden, denn da lagen schon die Krakenarme von Doc Octopus und andere Oscorp-Experimente im Hintergrund im Regal. Ich bin mir wirklich nicht sicher wie günstig es ist, alles was im Spiderman-Universum mit Superhelden zu tun hat, auf Oscorp zu reduzieren. Besonders, weil Spiderman doch auch mal Teil der Avengers werden soll, dachte ich?

Und leider war auch der Haupt-Bösewicht, der Blitze-schießende Electro, meiner Meinung nach, bis auf seine opulente Optik, kein wirklich in Erinnerung bleibender Bösewicht vom Kaliber eines Joker, General Zod oder Loki. Was wiederum an der schnellen und fast lieblosen Erschaffung und dem Verheizen der Gegner liegen könnte:

Oscorp Angestellter: „Sir, es hat schon wieder ein Normalo geschafft, in die Geheim-Hochsicherheits-Labors von Oscorp zu geraten und dort einen albernen Unfall zu haben, der ihn zum Superhelden gemacht hat, anstatt ihn umzubringen.“
Sicherheitschef: „Fuck, was ist es diesmal?“
Oscorp Angestellter: „So ein mental fragiler Mitarbeiter ist mit einem zerteilten Hochstromkabel in einen Tank mit genetisch mutierten Electro-Muränen gefallen und hat sich dadurch in ein Wesen aus reiner Elektrizität verwandelt.“
Sicherheitschef: „Bwhahahahaha! Und was ist wirklich passiert?“

Letztendlich ist der Film was für Spiderman-Fans. Spidey war noch nie witziger und seine Web-Action war ebenfalls noch nie witziger und kurioser als in Rise of Electro. Neben Iron Man, ist Spiderman durch seine Witze und seine charmante Art ohnehin mein favorisierter Marvel-Held. Leute, die wie ich früher ab und an die Zeichentrickserie geschaut haben, werden eine perfekte Realfilm-Umsetzung erleben, noch mehr als im vorangegangenen Teil.

Die Spinne ist einfach so sympathisch, weil sie, anders als z.B. der Man of Steel, nicht in sekundenschnelle die ganze Welt retten kann (und muss), sondern an Klebefäden schwingend eher auf lokale Einsätze beschränkt ist. Dafür muss Spiderman aber auch nicht immer die Mafia oder Superschurken dingfest machen, sondern kann sich auch mal die Zeit nehmen einem kleinen Jungen aus der Patsche zu helfen, der von Rohlingen aus der Schule bedrängt wird. Sowas macht sympathisch. So verdient man sich den Titel „Freundliche Spinne aus der Nachbarschaft“.

Ich wiederhole mich – der Film ist auf Grund seines typischen Spiderman-Humors und der atemberaubenden Optik auf jeden Fall den Kinobesuch wert. Und 7 von 10 Punkten ist ja auch keine schlechte Bewertung, im Gegenteil. Aber, um dieser Tage neben Iron Man, den Avengers und anderen Granaten am Superheldenhimmel bestehen zu können, müssen eben auch noch ein paar andere Dinge stimmen, um eine Mega-Bewertung wie 9 oder 10 zu bekommen. SORRY Spidey, sry Marc Webb, aber ich werde mir natürlich trotzdem jedes weitere Netz-Kletterer-Filmchen ansehen. Schon allein, weil dieser Spiderman endlich der aus Comics und Trickserie ist und nicht Tobey Maguire mit Klebekleister-Drüsen an den Unterarmen.

Über Thilo (1210 Artikel)
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